Der EuGH hat in zwei Urteilen zu Vorabentscheidungsersuchen aus den Niederlanden über Auslegungsfragen entschieden, die weitreichende Bedeutung für das Produktzulassungsverfahren auf mitgliedstaatlicher Ebene haben.
In der Rechtssache C-308/22 hatte der EuGH über das Verhältnis des beteiligten Mitgliedstaats (concerned Member State, cMS) zum prüfenden Mitgliedstaat (zonal Rapporteur Member State, zRMS) im zonalen Zulassungsverfahren zu entscheiden. Unter bestimmten Bedingungen sieht der EuGH eine Grundlage für Abweichungen des cMS von der Entscheidung des zRMS. Dabei betont der EuGH aber auch, dass es sich um Fälle des Art. 36 Abs. 3 UAbs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 handeln muss. Der Interpretation zugunsten weitreichender Handlungsspielräume, die die Generalanwältin in ihrem Gutachten vertreten hatte, ist der EuGH nicht gefolgt.
In den verbundenen Rechtssachen C-309/22 und C-310/22 hatte der EuGH über die Berücksichtigung von Wirkstoffeigenschaften, konkret endokrinschädlichen Eigenschaften, im Produktzulassungsverfahren zu entscheiden. Der EuGH hält die Berücksichtigung der in der Verordnung geregelten Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften auch im Produktzulassungsverfahren für erforderlich. Es müssten die neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zugrunde gelegt werden, auch wenn es sich um Wirkstoffdaten handele. Andererseits sei die Wirkstoffgenehmigung, die von der Kommission erteilt wird, durch die Mitgliedstaaten nicht zu kontrollieren.
Das Verständnis dieser Urteile des EuGH und die Umsetzung auf nationaler Ebene, insbesondere in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Braunschweig, wird für die zulassungsrechtliche Praxis erhebliche Bedeutung haben.